Bierfeste in Südamerika, Strandurlaub in Brasilien und die überbewertete Copacabana – Abschluss Interviewserie

Die kulturelle Vielfalt Brasiliens hat mehr als nur den weltberühmten Karneval von Rio de Janeiro zu bieten: Formationstanz einer Tanzgruppe (sog. Quadrilha) bei den Festas Juninas, aufgeführt im Dragão do Mar, Fortaleza, Brasilien
Den Abschluss der Interview-Serie bildet ulmis Reisen. Hier ist das Interview mit mir selbst:
Warum Südamerika?

Lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen, aber wohl aus verschiedenen Gründen / Erfahrungen entstand eine gewisse Faszination für die spanische, portugiesische und auch lateinamerikanische Lebensart, die Musik, das Essen, die Menschen. Fakt ist, dass mit einem Kommilitonen im Studentenwohnheim irgendwann mal an einem gemütlichen Abend die Idee entstand, Lateinamerika zu bereisen. 6 – 9 Monate lang war die Idee. 2003 nach dem Studium startete ich auf eine Interrailreise, erste Ziele waren Spanien und Portugal. An chilligen Abenden in Tapas-Bars, auf Stadtfesten oder bei stimmungsvollen Abenden in Flamengo-Bars hab ich schließlich endgültig großen Gefallen am südländischen Ambiente gefunden…und noch mehr (Reise-)Lust auf Lateinamerika bekommen. Auch reizte es mich, vor Ort die spanische sowie die portugiesische Sprache zu lernen. Der Traum ließ mich nie mehr los und 2010 war die Zeit reif…und offensichtlich perfekt für mich. Dass es nur Südamerika und nicht auch Mittelamerika geworden ist, lag am Ende an meinem langsamen Reisestil…

Gibt es für Dich ein Lieblingsland in Südamerika? Wenn ja, welches, und warum gerade dieses?

Obwohl es mir in jedem Land gefallen hat: Chile und Brasilien haben es mir angetan. Chile vor allem, weil ich dort die meisten schönen Erfahrungen mit den Einheimischen machen konnte, z.B.: Übernachtungseinladung zu einer älteren Dame beim Oktoberfest von Malloco (Bierfest), eine Hospedaje (Hostal Austral) streichen und Freunde mit den Eignern werden (zwei Monate lebte und arbeitete ich dann mit und bei ihnen), …

Brasilien fasziniert durch seine Vielfalt: landschaftlich, kulturell und nicht zuletzt kulinarisch. Viele Reisende sind auch von der Mentalität der Brasilianer begeistert. Und um gemütlich ein paar Tage bei gutem Wetter und Cocktails an einem Strand abzuhängen, ist Brasilien ganz sicher nicht die schlechteste Wahl.

Mittagsbier an der Barra Lagoa, einer der zahlreichen (Traum-)Strände auf der Halbinsel bei Florianópolis

Die Frage nach dem Lieblingsland ist etwas abgedroschen und in gewisser Weise auch oberflächlich. Meist ist es eine subjektive Einschätzung eines jeden Einzelnen, je nach dem was man in dem Land selbst erlebt hat. Das wollte ich mit dieser Frage zeigen und die Antworten der verschiedenen Interviewpartner untermauern das: Jeder hat seine eigenen Favoriten.

Welche Orte/Sehenswürdigkeiten findest Du in Südamerika überbewertet und warum?

Da fallen mir Einige ein. Beispiele:

Copacabana in Rio de Janeiro

Ein Stadtstrand, wie es sie in Brasilien zuhauf gibt.

Tango in Buenos Aires / Argentinien

Vor allem (i.d.R. in Buenos Aires) für die Touristen inszeniert, verliert der Tango meiner Meinung nach mehr und mehr an Bedeutung im Leben der Argentinier. Von den Argentiniern, die ich kenne, tanzt keiner Tango…

Das Nachtleben

Klar kann man in Südamerika auf Partys ordentlich die Sau raus lassen. Aber das kann man fast überall auf der Welt.

Ushuaia, das selbst ernannte „Ende der Welt“

Mal davon abgesehen, dass man darüber streiten kann, ob Ushuaia wirklich das „Fin del mundo“ ist: Außer dem Gefühl, ziemlich weit ab vom Schuss und relativ nahe an Antarktis und Kap Hoorn zu sein, hält sich’s mit den Reizen der Stadt und Umgebung in Grenzen. Da gibt es weitaus schönere Gegenden in Patagonien.

Iruya, Dorf in Nordargentinien

Ein kleines Dorf in der Nähe der keineswegs überbewerteten Quebrada de Humahuaca. Hübsch, rechtfertigt die lange Anreise aber nicht. Original-Reisebericht vom Blog meiner Südamerikareise: Wieder auf Kurs.

Isla del Sol im Titicaca-See / schwimmende Inseln im Titicaca-See

Auf ausgetretenen Pfaden einmal über die Insel wandern. Naja…da gibt es fesselndere Orte in Bolivien! (z.B. der Takesi-Trek / Taquesi-Trek).

Auf (künstlichen) schwimmenden Inseln authentisch die Lebensweise einer peruanischen indigenen Kultur kennenlernen? Nennen wir es lieber Freilichtmuseum mit echten Menschen.

Strandurlaub in Südamerika!? Deine Tipps:

Ich gebe Rapunzel (siehe Gastinterview, Teil 1) Recht: Brasilien hat zum Thema Strandurlaub im ganzen Land eine tolle Auswahl: z.B. Florianópolis im Süden, Ubatuba bei São Paulo, oder die berühmten Strände im Nordosten, z.B. Genipabu (bei Natal), Jericoacoara (paar Stunden von Fortaleza) und natürlich die Strände in der Region der Touristen-Hochburg Salvador da Bahia. Außerdem hat im Nordosten jede Stadt auch Strände, falls man Stadtstrände mag.

Der Traumstrand Genipabu bei Natal im Nordosten von Brasilien

Empfehlenswert sind zudem die karibischen Strände in Kolumbien (z.B. im Nationalpark Tayrona) und Venezuela (z.B. auf der Isla de Margarita oder in Choroní)

Argentinien, kein klassisches Land für Strandurlaub, hat mich bei meiner Recherche zu diesem Artikel überrascht:

Strandurlaub Argentinien? Macht das Sinn?

Den Versuch, meine Strandurlaub-Erfahrungen in Südamerika in Form meiner Lieblings-Strände zusammen zu fassen gibt es hier:

Die besten (Traum-)Strände Südamerikas – Meine Lieblingsorte im Sand.

In diesem Artikel sieht man, dass auch Chile – wenn auch nicht unbedingt zum Baden – echte Traumstrände zu bieten hat.

Was sind für Dich die Besonderheiten der südamerikanischen Mentalität/Kultur, DIE DU SELBST ERLEBT UND BEOBACHTET HAST (und nicht irgendwo gehört oder gelesen hast)? Vielleicht hast Du zu diesem Thema eine oder mehrere persönliche kleine Reisegeschichte(n) aus Südamerika parat!?

Bemerkenswert, wie gastfreundlich die Südamerikaner häufig sind. Unterwegs wurde ich immer wieder von Menschen nach Hause eingeladen. Und das, obwohl ich ja ein Fremder war. Eine der beeindruckendsten Geschichten dazu ist wohl die Einladung zu einer älteren Dame, als wir beim Bierfest in Malloco, Chile, waren. Original-Worte von meinem Blog:

„In Malloco bei endlich wieder sonnigem Wetter angekommen fanden wir uns direkt vor dem Eingang des Feschtes wieder. Einmal um die Ecke und Barbara hat genau die richtige Person gefragt: Eine im Dirndl zur Arbeit im Feschtzelt laufende Chilenin. Sie hat sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt und eine andere Frau hat gerade angeboten, dass wir bei ihrer Schwester pennen koennen. Doch die Dirndl-Frau war schneller und so wurden wir zu ihrer Mutter eingeladen, die alleine lebt. Der Mann der Dirndl-Frau hat uns mit dem Auto abgeholt und zum Haus (strategisch, paar hundert m vom Fescht) gebracht. Norma, die ab dann unsere Abuela (Oma) war hat uns herzlich empfangen, ein Ehebett hergerichtet und Fruehstueck (Spiegeleier/Brot/Kaffee) gemacht.“

Allerdings: die Gastfreundschaft ist auch nicht überzubewerten, und wenn man lange dort war, sollte man einen differenzierten Blick darauf werfen. Ich persönlich habe beispielsweise nicht nur einmal erlebt, dass vordergründige Gastfreundlichkeit hintenherum gar keine war.

Südamerikaner können manchmal nicht zugeben, dass sie etwas nicht wissen bzw. sich nicht auskennen: Lernen Sie portugiesisch in 1h.

Mit wildfremden Menschen Kontakt aufnehmen, ist in Südamerika eine ganz normale Sache. Egal, in welcher Lebenssituation, man wird angequatscht und man quatscht an. Häufig ist es sogar notwendiger Teil des Lebens, um Informationen zu bekommen: Beispielsweise, wo und wann das Sammeltaxi nach XY fährt. Oder die Preise von Produkten auf dem Markt oder sogar in Läden. Dass Preise immer und überall angeschrieben sind kennen wir aus Europa, ist aber an vielen Orten Südamerikas einfach nicht so.

Wie schon Stephan vom Latin-Mag angedeutet hat, spielt Musik für Südamerikaner eine größere Rolle als für die meisten Europäer. Sie ist im öffentlichen Raum auch viel präsenter: Kaum ein peruanischer Regional-Bus, in dem nicht Cumbia rauf und runter läuft. Kaum eine brasilianische Straßenecke, wo nicht aus irgendeiner Box laute Forró-Musik die Straßen mit Leben erfüllt. „La Guagua“ von Juan Luis Guerra voll aufgedreht in einem bunten Bus bei der Fahrt durch die dicht grün bewachsenen Serpentinen der Berglandschaft zwischen Maracay und Choroní (Venezuela) zählt zu den emotionalen Highlights meiner Südamerika-Reise. Eine Fahrt in einem dieser bunt geschmückten paraguayischen Busse ohne „Los Verduleros“ wäre halb so schön. Beeindruckend auch, wie textsicher gerade Brasilianer bei einem Großteil der populären Lieder sind.

Bunte Busse am Busbahnhof (Terminal) von Maracay, Venezuela

Die am meisten zu beneidende Eigenschaft der Latinos ist vielleicht deren Lockerheit, mit der sie durchs Leben gehen. Da lässt man 5 auch mal gerade sein, zu spät zu kommen stört in der Regel keinen, es muss nicht immer alles von Anfang bis Ende durchgeplant sein (vor allem das Leben nicht!). Und überhaupt: take it easy! Da sollten wir Mitteleuropäer uns unbedingt eine Scheibe abschneiden.

Übrigens, für alle die gerne Vorurteile gegenüber Lateinamerikanern haben: Das Leben locker nehmen und faul sein ist nicht das Gleiche 😉

Bei allen Besonderheiten: Meiner Einschätzung nach ist uns die südamerikanische Kultur trotzdem näher als beispielsweise die russische.

Nenne bitte ein paar Deiner Lieblinge, was Kulinarisches (auch Getränke) aus Südamerika angeht!

Quentão, eine Art brasilianischer „Glühwein“.

Der chilenische Hot Dog, der Completo. Porotos granados, Empanadas chilenas (chilenische Teigtaschen), Cazuela chilena, Charquicán, Chochoca, Curanto (Eintopf von der Insel Chiloé). Milcao und Chapalele (Chiloé), Pastel de choclo, Mariscal, Chorillana, Pan con chicharrón, Mote con huesillos (alle Chile).

Barros Luco: Sandwich, benannt nach dem ehemaligen (Anfang 20. Jahrhundert!) chilenischen Präsidenten Ramón Barros Luco.

Palta (chilenische Avocados) zum Once, der chilenischen Variante des Vespers.

Die vielen herausragenden chilenischen Biere (Ein Bier trinken gehen im Bier-Land Chile).

Gegrilltes Lamm in Patagonien (Chile, Argentinien).

Asados (Grillereien) in Argentinien, Uruguay und Chile.

Feijoada, Brasiliens Nationalgericht, Moqueca, Açai na Tiguela, Guaraná, Tapioca, Buchada de boi, Baião de Dois (gibt’s gerne an den Festas Juninas), Sarrabulho, Mocotó, Bife na Panela, Rabada, Panelada cearense, Dobradinha, Acarajé (alle Brasilien).

Zum Rodízio in eine brasilianische Churrascaria gehen.

Lomo soltado, Ceviche, Papa rellena, Papa huancaina (alle Peru).

Humitas, Tamales (verschiedene Länder).

Sancocho, Ajíaco (Kolumbien).

Arepa (Kolumbien und Venezuela).

Gerne wird Büchsenschinken – zerkleinert und mit Ketchup/Mayo vermischt – in Venezuela zum Frühstück in die allgegenwärtigen Arepas gepackt

Sopa de Quinoa, Sopa de Maní, Avena con Leche, Quinoa con leche, Quinoa con manzana, Picante de pollo, Sajta, Fritanca de chancho, Masaco, Silpancho, Locro (alle Bolivien), Buñuelos con api (ein wuchtiges Frühstück in Bolivien).

Llapingachos, Sandwich de pernil, Tripas asadas, Patacones (alle Ecuador).

Locro, Cazuela de cordero, Sopa de trigo, Bizcochos, Alfajores und vor allem gegrilltes Rindfleisch (alle Argentinien).

Ein von einer Hausfrau zubereiteter Pacú in Paraguay. Sopa paraguaya (keine Suppe), Chipa, Surubí (alle Paraguay).

Chivito, Tuco de pollo, Tortafrita (alle Uruguay).

Wein, vor allem Chile und Argentinien.

Und natürlich all die leckeren und zudem günstigen Tagesmenüs in den einfachen Restaurants.

Man könnte die Aufzählung noch unendlich fortsetzen…zu viele Lieblinge gibt es. Die Spezialitäten der Länder siehe unter meinen Länderfazits: Südamerika – Länder: Meine Eindrücke.

Was sind Deine Erfahrungen in Südamerika? Teil Sie mit uns in den Kommentaren!