Paraguay: Persönliche Eindrücke und Erfahrungen (Original erschienen 18.10.2011)

Paraguay gilt als eines der ärmsten Länder Südamerikas, hat aber vor vielen Jahren zu den am besten entwickelten Ländern des Kontinents gehört.

(Meine Artikel über die Länder Südamerikas sind umfangreiche, einzigartige, ehrliche, natürlich subjektive, aber dadurch sehr persönliche Eindrücke, wie ich sie jeweils aktuell bei meinem Aufenthalt im jeweiligen Land erlebte. Sie werden daher persönliche Meinungen enthalten und “die Fakten” entspringen keiner wissenschaftlichen Recherche und können somit Unschärfen aufweisen)

Paraguays Karneval, hier in Encarnación, orientiert sich sehr am brasilianischen
Paraguays Karneval, hier in Encarnación, orientiert sich sehr am brasilianischen

Die erste Personeneisenbahn fuhr von Asunción und der Bahnhof dort ist der oder einer der ersten. Irgendwann hat das Land dann irgendetwas verpasst. Trotzdem scheint es weiter zu sein als Bolivien. Die wichtigen Straßen, abgesehen von den abgelegenen im Chaco-Gebiet, sind vernünftig, Busse etwas besser als in Bolivia, vergleichbar mit Peru. Nur dass es in Paraguay im Vergleich zu Peru keine typischen Touristenstrecken mit den sehr guten Bussen gibt, wie in Peru vorhanden. V.a. Stadtbusse sind Rümpelkarren, aber sehr schön, weil farbig und insbesondere von innen werden sie vom jeweiligen Fahrer mit Stoffen und religiösen Gegenständen farbig geschmückt.

Paraguayischer Stadtbus. Von innen sind Busse meist bunt beschmückt. Jeder Fahrer fährt in der Regel immer mit dem gleichen Fahrzeug
Paraguayischer Stadtbus. Von innen sind Busse meist bunt beschmückt. Jeder Fahrer fährt in der Regel immer mit dem gleichen Fahrzeug

Überhaupt: wenn man sich auf den Straßen bewegt ist es eines der Länder mit Südamerika-Gefühl: Viel Trubel auf der Straße, Verkaufsstände, Essen im Freien. Verkäufer, die durch die Busse gehen und z.B. Chipas oder Getränke verkaufen.

Ein jedenfalls heftiger Schlag war die Niederlage im sog. Triple Alianza-Krieg gegen Uruguay, Brasil, Argentinien. Es gibt Paraguayer, die von einer Verschwörung gegen Paraguay und einem Austricksen durch die 3 Nachbarländer reden. Die Geschichtsbücher stellen das meist etwas anders dar. In dem Krieg hat Paraguay einen großen Teil seiner (männlichen) Bevölkerung verloren. Es wurden dann sogar Ausländer angeworben (mit Land und 1 Vieh als “Prämie”) nach Paraguay zu kommen. Später wurden sie dann beim Bau des (derzeit noch) angeblich größten Wasserkraftwerks der Welt gemeinsam mit Brasil eben von diesen etwas übers Ohr gehauen (in Brasil gab es Banken mit Geld für die Finanzierung) und so zahlen sie heute noch an Brasil zurück (in Strom, der viel zu günstig angesetzt wurde und damit zu Gunsten Brasils).

Ein Großteil der Wirtschaftskraft (60 Prozent?) kommt vom Fleischverkauf, welches überwiegend aus Chaco-Gebiet kommt.

Viele Ausländer kommen (wie in anderen Ländern hier auch üblich) ins Land, kaufen Land und machen ein Geschäft drauf oder leben einfach nur. Klassiker ist natürlich eine Chacra (Farm bis 1000 ha) oder Estancia (größer 1000 ha). Einer der Oberen von Südmilch hat auch eine (und war einer der ersten (neben den Mennoniten) die Chacra / Estancia hatten) in der Nähe von der Schweizer “Kolonie” Rosaleda, wo wir auf der Chacra von einem Schweizer Auswanderer eingeladen waren. Eines der ursprünglichsten Erlebnisse, was kaum ein Tourist erleben darf.

Die Menschen sind arm, machen aber trotzdem einen zufriedenen Eindruck, v.a. in ländlichen Gebieten. Man spürt auch keine Spannung, wie in anderen Gegenden. Außer natürlich in Asunción: Großstadt, wo es immer “illustre” Ecken gibt. Auf dem Land ist es dann eben so, dass die Menschen nicht viel haben, aber zumindest eine Hütte zum Leben. Und auf ein Bisschen Grund und Boden, den sie haben, bauen sie sich Lebensmittel an. Eine der großen Unterschiede zur Armut in der Stadt.

Das hübsche Bahnhofsgebäude von Asución stammt noch aus besseren Zeiten. Anscheinend ist von hier der erste Personenzug Südamerikas gefahren
Das hübsche Bahnhofsgebäude von Asución stammt noch aus besseren Zeiten. Anscheinend ist von hier der erste Personenzug Südamerikas gefahren

Es scheint in Paraguay insgesamt recht friedlich und ausgeglichen zu sein, was ich auch von Einheimischen so erzählt bekommen habe.

Die Menschen auch hier gastfreundlich, hilfsbereit, freundlich (meist).

Imbissstand in Concepción. Hier gibts Lomitos, ein satter Snack in einem länglichen Brötchen. Statt klassischem Burgerfleisch mit dünnem, gebratenem Lendenstück (Lomo) vom Rind. Dazu mit diversen Zutaten belegt, z.B. Speck, Zwiebeln, Eier, Mais
Imbissstand in Concepción. Hier gibts Lomitos, ein satter Snack in einem länglichen Brötchen. Statt klassischem Burgerfleisch mit dünnem, gebratenem Lendenstück (Lomo) vom Rind. Dazu mit diversen Zutaten belegt, z.B. Speck, Zwiebeln, Eier, Mais

Im Süden (Encarnación) gibt es einen großen Karneval, der hauptsächlich von Brasil geprägt ist (siehe auch Bilder Februar 2011) und deshalb auch von manchen Paraguayern kritisch als schlechte Kopie bezeichnet wird. Außer den (im Vergleich zu Brasil schlecht) Samba tanzenden Chicas gibt´s allerdings noch Gruppen, die Dinge aus dem paraguayischen (Land-) Leben darstellen und die ein oder andere mehr oder weniger freie Gruppe, Kindergruppen.

Die Bevölkerung spricht überwiegend 2 Sprachen: Spanisch und 90 Prozent oder mehr Prozent auch Guaraní, eine native Sprache. V.a. im Süden gibt´s Kolonien (auch deutsche) und viele Paraguayos haben europäische Wurzeln. Deutsche Kolonie (z.B. Bellavista) kann aber auch heißen, dass man davon – außer vielleicht in Form von Straßen- oder Restaurantnamen – nicht mehr viel merkt. Außerdem kamen anno dazumal die Spanier und haben in den bekannten Jesuitenmissionen (eine der Haupttouristenziele des Landes) zusammen mit “konvertierten” Indigenen ihre Religion praktiziert, Wenn richtig verstanden, wurde dabei sogar die Bibel auf Guaraní übersetzt. Und natürlich die Mennoniten im Chaco.

Paraguay wurde in der Copa América, die dieses Jahr stattfand, zweiter.

Die Landschaft in Paraguay ist flach, vielleicht das heißeste Land des Kontinents. Ein Großteil der Fläche gehört zum Chaco.

Das relativ unberührte Chaco-Gebiet gar nicht oder schlecht erschlossen. Aufgrund der Artenvielfalt v.a. exotischer Tiere bei Tierliebhabern aber als Reiseziel interessant
Das relativ unberührte Chaco-Gebiet gar nicht oder schlecht erschlossen. Aufgrund der Artenvielfalt v.a. exotischer Tiere bei Tierliebhabern aber als Reiseziel interessant
Paraguayisches Essen/Gerichte/Getränke:

Auch Paraguay ist Fleischland, auch wenn die Grillerei und Fleischgerichte nicht ganz so präsent sind wie in Argentinien. Fleisch vom Rind hauptsächlich. Bestes Stück: Picaña. Weitere: Vacío, Costilla und ein paar, wo ich mir beim Namen nicht sicher bin: Kupi?, Cacu?, Palmolito?

Der Surubí-Fisch ist sehr oft auf der Karte, in Bahía Negra haben wir einen sehr guten Pacú, hausgemacht, bekommen.

Es gibt eine sogenannte Sopa Paraguaya, was keine Suppe, sondern eine Art Eierkuchen-Stück ist. Milanesa (paniertes Fleisch). Ganz wichtig: Chipa, gebackener Teigring oder als Kugel oder länglich, oder gegrillt über dem Feuer (wie Stockbrot), meist mit Käse gefüllt. Anis kommt auch oft rein. In Asunción in einem guten Lokal gab’s Apfelstrudel, unter demselben Namen.

Weitere mündlich überlieferte Informationen zum Land:

-Korruption sei mit neuer Regierung zurück gegangen -Die altreichen Großgrundbesitzer lassen keine Mafia zu im Land. So wird in Paraguay die Mafia also von Privatleuten bekämpft.

-stabile Währung, der Guaraní ist anscheinend die größte Währungsreserve Südamerikas, 1. ist der Euro, 2. Dollar, 3. Gold, 4. Guaraní

-11% des Chaco sind bewirtschaftet, und 3/5 der Fleischproduktion Paraguays kommt aus dem Chaco

-30% des BIP kommt vom Strom

-Paraguay hat anscheinend keine Auslandsschulden

-moderne Fleischerei der Mennoniten, die alles verwertet vom Tier, sogar der Huf, aus dem Knöpfe produziert werden

-Rosaleda (die Schweizer Kolonie, wo wir waren) war ein Projekt, dass in der Schweiz gestartet wurde, zum Auswandern für die, die keine Lust mehr auf Schweiz hatten

-Manche halten sich Wasserbüffel, die den Boden der künstlichen Vorratsseen “dicht stampfen”

-eine sehr gute Kuh trägt nach 10/11 Monaten wieder, jedes Jahr

Eine Schlange. Wenn ich mich nicht täusche eine Anaconda. Im paraguayischen Chaco-Gebiet
Eine Schlange. Wenn ich mich nicht täusche eine Anaconda. Im paraguayischen Chaco-Gebiet

-Regenwasser ist trinkbar in Paraguay

-Ein Stier wird zwischen 320 und 520 kg schwer verkauft

-Männer gehen bei jungen Frauen Tereré (kalter Kräuter-Tee, typisch für Nordargentinien und v.a. Paraguay) trinken, um um sie zu werben und die Frau wiederum sucht sich dann einen davon aus

-Köchinnen auf Farmen werden von den Cowboys umschwärmt und „dienen“ dann oft dem Einen oder Anderen

-Tereré entstand im Krieg, weil man sich für den Mate (warmer Kräutertee) ein Feuer hätte machen müssen. Das hätte dem Feind verraten, wo man sich befand. Deswegen wurde der Mate kalt getrunken

-wenn man Land bewirtschaftet muss 25% Busch bleiben (Gesetz). Da man die Außenränder zusätzlich nicht bewirtschaftet (Brandschutz), sind es dann nahezu 50% die Busch bleiben bei einer nicht riesigen Farm

-Der Tereré wird traditionell von einer der jungen und davon von der hübschesten Frau ausgeschenkt

-Die Angestellten einer Farm “gehören” dem Patron (Besitzer der Farm).  Den muss man fragen und verhandeln, wenn man seinen Angestellten ausleihen will. Der Patron trägt aber auch Verantwortung, auch wenn der Arbeiter z.B. einen Unfall hat. Er übernimmt die Kosten.

-Holzkohleproduktion braucht Bewilligung, die schwierig zu erhalten ist. Deswegen verbrennen viele Bauern das Holz, anstatt wenn es der Staat einfacher machen würde, sinnvollerweise Holzkohle daraus gemacht würde.

-In der Höhe (über Meeresspiegel) kriegt man dickes Blut. In der Wärme dünnes. Deswegen mögen die Mücken einen, wenn man mit dickem Blut in warme Länder geht. Jemand, der schon länger im flachen, warmen Land lebt hat schon dünneres Blut und ist für die Stechviecher nicht so attraktiv, wie z.B. Unsereins.

Pro Tag haben wir in Paraguay ca. 20,90 EUR ausgegeben.

Hast Du Fragen zu diesem Artikel? Melde Dich bei mir!